Die Anfänge

Erste persönliche Kontakte nach Thüringen entstanden im Rahmen einer privaten Fahrt nach Großschwabhausen (Partnergemeinde von Sonnenbühl-Undingen) zur Familie Eichhof 1986. Die Undinger Posaunenchorbläser Robert Höneß und Reinhold Braun hatten den Besuch initiiert, aus Genkingen waren Ulrich Herrmann, Rudi Sauer und Martin Herrmann dabei. Man reiste damals ohne Instrumente an, dafür war der Kofferraum mit Kaffee, Kosmetikartikel, Schokolade, Bananen und anderen begehrten West-Waren gefüllt. Leider führte ein DDR-kritischer Artikel in der ebenfalls mitgeführten aktuellen SPIEGEL-Ausgabe dazu, daß es bei der Einreise an der Grenze eine mehrstündige Verzögerung mit Einzelverhören gab.
 
Im Folgejahr bereiteten der damalige Genkinger Pfarrer Erwin Breitmayer und auf Thüringer Seite Pfarrer Erhard Lauterbach sowie seine Frau Gudrun (Posaunistin im Jenaer Posaunenchor) durch intensiven Briefwechsel und mehrere Telefonate die erste Begegnung in Jena vor. Friedrich Bürglen aus Zwätzen knüpfte bei einem Besuch in Genkingen ebenfalls 1987 schon persönliche Kontakte. Er war und ist bis heute maßgeblich an Aufbau und Fortbestehen unserer Partnerschaft beteiligt.
 
Am 16. September 1988 war es dann so weit: zur ökumenischen Kirmes – offiziell für die Behörden aus Anlaß des 5-jährigen Bestehens des Posaunenchores im Mariensprengel Jenas - reisten unter Leitung von Pfr. Breitmayer 17 Bläser und Gemeindeglieder aus Genkingen an. Glücklicherweise wurde die „besuchsweise Einfuhr von Musikinstrumenten“ genehmigt, sodass beim Gemeindefest des Mariensprengels erstmals die vereinigten Posaunenchöre Genkingen und Jena-Zwätzen unter Leitung von Karl Herrmann musizieren konnten. Trotz der allgegenwärtigen Stasi-Bespitzelung entstand rasch ein sehr enger persönlicher Kontakt zwischen Schwaben und Thüringern. Neben der ergreifenden Besichtigung des ehem. KZ Buchenwald fand man Zeit für einen gemeinsamen Bummel durch Weimar. Sonntags wurde gemeinsam Gottesdienst in der Löbstedter Kirche gefeiert, auch hier wurde spürbar, dass die freie Meinungsäußerung nicht ohne weiteres möglich war. Auf der Heimreise am Montag wurde der Wartburg ein Besuch abgestattet, allerdings nicht ohne sich unterwegs in Großschwabhausen bei Familie Eichhof nochmals gestärkt zu haben.
 
Diese erste Begegnunsfahrt führte auch dazu, daß noch vor dem Fall der Mauer 1989 die Geschwister Roland und Silke Seidolt der DDR den Rücken kehrten und bei Wilhelm und Edeltraud Herrmann in Genkingen Asyl fanden. Roland spielte jahrelang Trompete im Genkinger Posaunenchor, Silke wurde von der Asylantin zur Schwiegertochter von Wilhelm und Edeltraud. 
 
Begegnungen

Ab 1989 bis 1999 gab es jährlich wechselnde Begegnungen in Jena bzw. Genkingen. Seit 2000 sind die Treffen überwiegend in einem 2-jährigen Rhythmus, das letzte im April 2010 in Genkingen.
 
Auf Genkinger Seite beteiligt sich neben dem Posaunenchor auch der Kirchenchor sehr aktiv an den Begegnungen. Die Nachfolger von Pfarrer Breitmayer, zuerst das Pfarrerehepaar Iris Kettinger und Harald Röser sowie seit 2005 Pfr. Hansjörg Eberhardt, haben den Kontakt nach Thüringen stets gefördert und an den Fahrten teilgenommen, der „Kanzeltausch“ am Begegnungssonntag ist mittlerweile obligat. Mit dem Gemeindehaus direkt an der Kirche stehen auf der Schwäbischen Alb ideale und großzügige Räumlichkeiten zur Verfügung, die auch bei schlechtem Wetter viele Möglichkeiten des Zusammenseins bieten. Während die ersten Treffen in Jena immer im ausgebauten Dachgeschoss der Löbstedter Kirche stattfanden ist man mittlerweile für die Partnerschaftsfeiern ganz nach Zwätzen umgezogen. Pfarrerin Bettina Mühlig und ihr ehrenamtlich in der kirchlichen Jugendarbeit aktiver Gatte Holger beglücken uns immer mit Ihrer Gastfreundschaft. Der unter Mitwirkung früherer Jugendgruppen ausgebaute Gewölbekeller des Pfarrhauses ist der ideale Partyraum, in dem sich Schwaben und Thüringer nicht nur räumlich näher kommen können! Und die Zwätzener Kirche ist nach der umfangreichen Renovierung – für die aus Württemberg reichlich gespendet wurde – ein Kleinod und kulturhistorisches Zeugnis mit romanischen, gotischen und barocken Bauelementen.
 
Es ist schon zur Tradition geworden, jeweils nach der Anreise am Freitagabend vor der Verteilung in die Gastfamilien einen Begrüßungsständerling abzuhalten, da trotz  fortgeschrittener Stunde der Mitteilungsbedarf auf beiden Seiten immer groß ist.  Samstags wird für die Gäste, Gastgeber und interessierte Gemeindeglieder eine gemeinsame Wanderung, eine Besichtigung, Stadtbummel oder ein Museumsbesuch angeboten, meist verbunden mit einer gemütlichen Rast an einer Grillstelle oder Einkehr in einem Gasthaus. Beim anschließenden Begegnungsabend wird der Begriff Partnerschafts-Feier wörtlich genommen: es werden Lieder gesungen, Sketche aufgeführt, Bilder präsentiert, Spiele gemacht, thematische Gesprächsrunden durchgeführt und vor allem Kontakte geknüpft und aufgefrischt, das ganze natürlich nicht ohne leckeres Essen und Trinken!
 
Der Gottesdienst am Sonntag wird jeweils von den Chören aus Jena und Genkingen gemeinsam umrahmt und ist für die Beteiligten stets der bewegende Höhepunkt des Begegnungs-Wochenendes. Manche Träne fließt, wenn nach dem Mittagessen der Abschied von den liebgewordenen Freunden ansteht. 
(von Dr. Martin Herrmann)
 
siehe auch: www.kirche-jena.de